Erriadh auf Djerba: Kunst an jedem Haus
Eine einzige Freiluft-Galerie
Einst war Erriadh bloss ein hübsches kleines Dorf auf der tunesischen Insel Djerba: weisse Häuser, traditionelle Architektur und Menschen, deren Familien schon seit Generationen in den Häusern lebten und in den Werkstätten nebenan ihr Handwerk fertigten. Doch seit dem Jahr 2014 mischt sich in diesen ursprünglichen Charme die Moderne – in Gestalt von moderner Kunst. Das Projekt «Djerbahood» der Galerie Itinerrance de Paris, eine Art Street-Art-Festival in XXL, machte Erriadh zu einem Mekka für Graffiti-Liebhaber, zu einer einzigen Freiluft-Galerie. Und all das, ohne den Ort, der bereits im 6. Jahrhundert v. C. von jüdischen Flüchtlingen gegründet sein soll, dabei seiner Geschichte oder Authentizität zu berauben.
Nachbarn als Kunst-Komplizen
«The Hood» steht in riesigen weissen Lettern am Ortseingang von Erriadh. Es ist eine Installation des Künstlers Rodolphe Cintorino, die dem gesamten Projekt seinen Namen gab. Das Dorf ist bei Einheimischen auch unter dem arabischen Namen El Haar Sghira bekannt, «die kleine Nachbarschaft». Und diese hat sich verändert. Zum einen zwischenmenschlich, weil das Projekt die Dorfbewohner mit rund 150 Künstlern aus 30 Nationen zusammenbrachte – und manch ein Nachbar dadurch künstlerisches Mitspracherecht bekam. Zum anderen natürlich optisch, denn Erriadh ist ein sehr bunter Ort geworden, seitdem über 250 Werke Hauswände und Mauern zieren.
Tintenfisch & Tiger
Doch was genau gibt es dort zu sehen? Da ist etwa der riesige Tintenfisch des belgischen Künstlers ROA, der ein Kuppelgebäude genutzt hat, um den Kopf des Tieres mehrdimensional darzustellen. Auch der tunesische Star-Künstler El Seed ist der Einladung nach Erriadh gefolgt, nachdem er bereits als Street-Art-Künstler in Katars Hauptstadt Doha gearbeitet und Designs für Louis Vuitton kreiert hat. Die Bilder zieren nicht nur Wände, auch ein Autowrack wurde vom polnischen Künstler M-CITY in einen Tiger verwandelt. Das Projekt bleibt seit 2014 in ständiger Bewegung: Blättert die Farbe ab, geschuldet auch der salzigen Meeresluft, werden die Werke nachgemalt oder umgestaltet.
Kunst auch in der Synagoge
Weil die Insel Djerba vor allem für Strand und Meer steht, bietet ein ausgiebiger Kunst-Spaziergang durch Djerbahood während der Ferien eine lehrreiche Abwechslung. Da die Open-Air-Galerie sanft mit dem örtlichen Leben verschmolzen ist und die Aussenwände von Privathäusern als Ausstellungsfläche dienen, ist das Areal für Besucher frei zugänglich und kostenlos. Es erstreckt sich über den gesamten historischen Ortskern von Erriadh. Wer mag, kann die Promenade mit einem Besuch in der eindrucksvollen El-Ghriba-Synagoge verbinden, der ältesten in Nordafrika. Prächtige blau-goldene Ornamente schmücken die Gewölbedecken, bunte Bleiglasfenster sorgen für interessante Lichteffekte.
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