Von Hutmachern und Agavenbauern
Schillernde Kolonialstädte, mystische Pyramiden, korallenweisse Strände – Yucatán ist nicht nur für Winterflüchtige ein Traum. Im Hinterland zeugt das Handwerk der Hut- und Seilmacher von der goldenen Vergangenheit des Landes.
Jipijapa – Der Panama Hut
Wer die Seele von Yucatán verstehen will, biegt ab ins Hinterland: Hier zeugen prächtige Kolonialstädte vom vergangenen Ruhm. Hier liegen die mystischen Tempelanlagen der Maya. Und hier werden die Panama-Hüte (Jipijapa) aus den Fasern der Toquilla-Palme so fein geflochten, dass man sie zusammengefaltet in die Hosentasche stecken kann.
Jedoch stammen die Hüte nicht aus Panama, sondern aus Ecuador. Seit 1859 wird der Jipijapa auch auf Yucatán hergestellt. Anders als in Ecuador ist die Luft hier staubtrocken, weshalb die Familien ihre Werkstätten ins kühle Erdreich verlagert haben. «Ohne die Feuchtigkeit würden die Fasern brechen», erklärt Doña Chari. Die 56-jährige Hutmacherin sitzt am Fuss einer steilen Steintreppe in ihrer Höhle, das Flechtwerk in der Hand.
Hinter dem Dorf warten 6’000 Toquilla-Pflanzen auf die Ernte. «Das Schwierigste ist das Herstellen der Fasern. Von ihrer Qualität hängt alles ab» sagt Doña Chari. Die Qualität hat ihren Preis. Ein einfacher Hut, in zwei Tagen fertiggestellt, kostet umgerechnet zwischen 25 und 30 Franken. Ein Meisterstück bedeutet mehrere Wochen Arbeit und kann mehrere Hundert Franken kosten. Und die Modelle, die am Strand für ein, zwei Dollar feilgeboten werden? «Made in China».
Auf den Agaven-Feldern
Weiter geht es auf der Suche nach dem «grünen Gold» von Yucatán: der Henequen-Agave. Ihre kantigen, silbergrünen Blätter sehen nicht sehr appetitlich aus – besonders, wenn sie gerade zerquetscht werden. Mehr als 100 Jahre hat die Häckselmaschine der Hacienda Sotuta de Peón schon auf dem Buckel. Mit unstillbarem Appetit und ohrenbetäubendem Lärm verschlingt sie die Blätter und quetscht sie zu einer fleischigen Masse, die schliesslich ausgefasert wird.
«Die alte Lady schafft 100'000 Blätter in acht Stunden», ruft uns Don Antonio zu, während er die zerkauten Bündel auf einen Wagen lädt. Sein Kollege schiebt die Fracht in den Hof, wo Arbeiter sie zum Trocknen aufhängen. Der Sisal (Endprodukt der Agavenernte), benannt nach dem Umschlaghafen an der Nordküste, wurde in alle Welt verschifft. «Mexiko beherrschte zwischen 1870 und 1930 den Welthandel. Die Landwirtschaft und der Schiffbau gierten nach Tauen, Säcken und Schnüren», erklärt Don Antonio (82 Jahre alt).
Als Don Antonio als junger Mann im Feld stand, war die Hacienda ein eigener Kosmos mit feudalen Strukturen. Von den rund 1’300 Haciendas auf Yucatán haben nur wenige überlebt. Während einige zu Boutique Hotels ausgebaut wurden, werden andere noch traditionell bewirtschaftet. Eine davon ist die Hacienda Sotuta de Peón, eine Mischung aus Freilichtmuseum, Touristenresort und Produktionsstätte.
Mérida
In der Kolonialstadt Mérida zeugen die grandiosen Stadtpaläste davon, wie das frühindustrielle Geldbürgertum seine eigene «Belle Époque» feierte – bis die Kunstfasern der Party um 1930 ein jähes Ende bereiteten.
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